Was ist Windelfrei und wie fange ich an

Windelfrei oder auch Ausscheidungskommunikation (engl. Diaper free, Elimination communication / Baby-led potty training) heißt auf das Ausscheidungsbedürfnis, das Babies von Geburt an kommunizieren nicht zu ignorieren, sondern angemessen zu reagieren und beim Sauber bleiben zu unterstützen. Wenn du einmal mit einem Säugling (Teilzeit-) Windelfrei praktiziert hast, dann weißt du nach wenigen Tagen / Wochen, dass Babies ihr Aussscheidungsbedürfnis wahrnehmen, auf ihre Arten und Weisen mitteilen, aber natürlich so wie du und ich, nicht ewig einhalten können, aber doch schon um einiges länger, als man Babies zutraut!!!


Warum nicht einfach immer wickeln? Pro und Contra

Für mich war schon lange vor meiner Schwangerschaft klar, ich will eine Windelfrei-Mami sein. Auf Reisen und längeren Aufenthalten im Ausland, besonders in China (Kinder tragen dort die sogenannte 开裆裤 kāidāngkù – Schlitzhose), konnte ich immer wieder feststellen, wie gut Windelfrei in anderen Kulturen klappt. Und nach langer Recherche und viel Austausch in Foren und mit anderen Windelfrei-Mamas war mir klar, dass ich diesen Weg gemeinsam mit meiner Tochter EML gehen werde.

Und hier meine Argumente für und gegen ein Windelfrei-Baby:

Pro

  • Weniger Gequengel, denn das Baby will weder sich selbst noch dich beschmutzen und jammert und windet sich weniger, wenn du es abhältst (= übers Töpfchen halten)
  • Keine Chemiebomben am zarten Babypopo
  • Weniger Müll(berge) bzw. Wäsche
  • Kein schmerzender, wunder, roter Po mehr
  • Mehr Bewegungsfreiheit
  • Man kann (Teilzeit- ) Windelfrei an jeden Alltag anpassen und daher kann wirklich jeder, der Windeln wechselt, auch (Teilzeit) Windelfrei machen.
  • Kinder werden unter Umständen schneller trocken als Windelkinder, weil sie sich ihrer Ausscheidungen bewusst bleiben. Ich fand es eh schon immer seltsam, dem Kind beizubringen, dass es in die Windel machen darf bzw. soll, nur um es ihr oder ihm dann doch wieder (mühselig) abzugewöhnen.

Contra

  • Du wirst die Signale nicht mehr ignorieren können. Wenn du es einmal verstanden hast, gibt es kein Zurück. Töpfchenpausen z.B. stellen daher für viele eine Herausforderung dar. (Dann hilft nur Geduld. 😊)

Hell grünes Windelfrei Töpfchen


Wie fange ich mit Windelfrei an und woher weiß ich, dass mein Kind für kleine Babies muss

Fange an in den „4 Standardsituationen“ abzuhalten, d.h. Halte ab,

  1. direkt nach dem Aufwachen
  2. sobald du dein Kind in oder aus dem Tuch, Trage, Kindersitz oder Hochstuhl holst
  3. bei / nach jedem Windelwechseln (diesen einen Schritt kann jeder machen, weil man ja eh schon mittendrin ist sozusagen)
  4. sobald du merkst dein Kind pupst. Oft ist es ein Vorbote für mehr. Selbst wenn nur Luft rauskommt, so ist dein Kind erleichtert und es gibt Abhaltepositionen, die es deinem Kind leichter machen. Die Abhaltepostion gleicht übrigens der tiefen Hocke.

Du musst auch nicht immer und überall abhalten. Vielleicht fängst du an nur morgens oder abends abzuhalten und schaust mal wie gut es klappt. Natürlich darf dein Kind auch eine Windel als Backup tragen (ich habe immer eine Backup-Windel, egal wie gut es klappt).

Einige Signale und weitere Infos

  • Halte ab, wenn dein Kind plötzlich unruhig wird und sich dreht und windet oder unerklärlicherweise quengelig wird (obwohl sie/er satt, ausgeschlafen, Windel trocken, Bäuerchen, kein Fieber etc.)
  • Dein Baby kullert nachts hin und her und jammert und nörgelt …
  • Biete deinem Baby das Töpfchen an, wenn du merkst es drückt (und drückt und drückt).
  • Halte ab, wenn dein Kind an der Brust unruhig immer wieder an- und abdockt.
  • Entscheide dich für ein oder zwei Signaltöne wie psss psss, lululu, mmm etc (ich benutze nur eins).
  • Hast du dein Kind auf dem Schoß und du merkst wie der Popo warm wird, halte ab.
  • Sprich mit deinem (neugeborenen) Baby z.B. „Ich halte dich noch mal ab, bevor ich dich ins Tuch (Autositz, Babystuhl) nehme.“ „Guten Morgen, komm wir gehen eben mal auf Toilette.“ (Die meisten Menschen müssen schließlich nach dem aufwachen Pipi machen, genauso Babies.)
  • Es schüttelt sich, als würde es kurz frösteln.
  • Es schaut ganz ruhig, selig, verträumt.
  • Dein Baby schaut zum Töpfchen.
  • Dein Baby zupft an der Windel.
  • Halte ab, wenn du glaubst es muss oder einige Zeit verstrichen ist. Denk nicht lange nach, mach einfach. Entweder die Windel ist voll und du hättest eh wechseln müssten, oder sie ist sauber und bleibt sauber, auch gut. Vertraue auf deine INTUITION! Mit Übung und Gelassenheit wird auch die Inuition besser.
  • Bedenke jedes Kind signalisiert anders und Signale können sich auch regelmäßig ändern. Lerne dein Kind immer wieder neu kennen. 😊
  • Schließ dich mit anderen Eltern zusammen und tauscht euch aus. Das hat mir besonders viel geholfen und hilft mir immernoch.
  • Wechsele die Windel, sobald du merkst sie ist dreckig. Lass dein Kind nie in seinem eigenen Schmutz sitzen.
  • Babies sind viel Pinkler am Morgen, die Abstände werden zum Abend hin länger.
  • Akzeptiere auch ein „Nein, ich will nicht.“ und / oder Nein, ich muss nicht.“
  • Strafe, Stress und Druck haben hier keinen Platz!!!

Tipps

  • Solltest du feststellen, dass es dich doch eher stresst als entlastet, oder du zu verkrampft an die Sache rangehst hör auf. Vielleicht magst du es zu einem späteren Zeitpunkt wieder versuchen. Stress überträgt sich auf dein Kind und dann kann es gar nicht klappen und Frust macht sich breit.
  • Selbst wenn du wirklich null Zeit oder Lust hast, kannst du Teilzeitwindelfrei machen: Stelle ein Töpfchen oder eine Schüssel neben deinen Wickeltisch und halte nur beim Windelwechseln ab. Alte, volle Windel weg, kurz übers Töpfchen halten, Signalton machen, warten (entweder kommt Pipi-Aa oder nicht) und dann ab in die saubere Windel.

Was ziehe ich meinem Kind and und wie halte ich ab

Ich ziehe meinen Kind ganz normale Bodies oder sehr lange Unterhemden an und benutze Stoffwindeln. Entweder ich nehme Mullwindeln mit Überhose oder Waschlappen mit Überhose.

Für die Beine finde ich Stulpen / Babylegs, besonders nachts, einfach toll.  Sie machen das Abhalten unkompliziert. Kein Hose runter-rauf-rauf-runter und die Beinchen bleiben auch warm. Du kannst z.B. auch deine eigenen Socken zu Babystulpen umfunktionieren, das spart Kosten und du kannst gucken, ob es für euch funktioniert.

Abhaltepositionen gibt es so einige. Ich nehme meine Tochter auf den Arm in die Hocke und halte sie entweder über Töpfchen, Toilette oder Waschbecken ab. Manche Kinder mögen es aber  lieber im Liegen abgehalten zu werden. Probiere hier aus, was für euch am besten funktioniert, aber bedenke bitte bei den ganz kleinen, dass Kopf, Nacken und Rücken gut gestützt sind. Und wie gesagt alles ohne Stress, Druck oder Strafe, ein positives entspanntes Mindset ist ALLES.

Fürs Abhalten bekommt man ein Gefühl und lernt schnell und weiß, dass bzw. wann das Baby fertig ist. Aber ich halte sehr selten länger als 30 Sekunden – eine Minute ab (außer der Stuhlgang verlangt nach einer etwas längeren Sitzung 😅). Und natürlich halte ich nicht 60 Minuten ab und warte bis hoffentlich vielleicht irgendwann Pipi-Aa kommt, aber ich hoffe das ist klar.

Ein Baby wird abgehalten, man sieht einen grünes Töpfchen und Babyfüschen.


Windelfrei, so klappt es ganz sicher

Tipp 1

Bleib entspannt, hab Spaß. Es ist kein Wettbewerb und es gibt keinen Druck. Ärger dich nicht wenn Baby-Pipi-Kacke auf dir oder deinem Kind landet. Ich bin mir sicher Wäsche waschen muss man ja so oder so irgendwann. Bist du den ganzen Tag unterwegs, zieh deinem Kind eine Windel an. Willst du nur einmal am Tag abhalten oder nur morgens und abends abhalten auch gut. Du und dein Baby macht eure eigenen Regeln, nach eurem Rhythmus. Es soll ja für euch funktionieren.

Tipp 2

Hör auf dein Gefühl! Wenn du denkst, oh vielleicht muss er oder sie (schon wieder)… zack übers Töpfchen (Waschbecken, Toilette, Gebüsch) heben und kurz warten. Ich meine was soll schon passieren? Ich habe mich am Anfang oft geirrt und wenn schon, denn mittlerweile liege ich auch fast immer gold richtig😬.

Tipp 3

Lass die Windel weg und dein Baby untenrum frei, nehme Mullwindeln mit Überhose oder Waschlappen mit Überhose und schaue einfach mal was passiert. So kannst du am Anfang besser einschätzen, wie z. B. die Pipiabstände sind. Hab immer ein Töpfchen griffbereit. Benutze möglichst keine Wegwerfwindeln, sie wiegen dich in „Sicherheit“ und machen dich unaufmerksam.

Tipp 4

Erkläre auch der Family und Freunden wie es funktioniert, vielleicht und hoffentlich mögen sie dich unterstützen.


Windelfrei – Meine Erfahrung

Ich habe ca. zwei Monate „beobachtet“, konnte aber nie etwas feststellen mit der Windel an… komisch. Und habe auch nie aktiv versucht abzuhalten… noch komischer. Kein Wunder, dass es nicht klappt, wenn man es nicht einmal aktiv versucht. 😅

Hätte ich die blöde Windel doch mal direkt weggelassen… oder einfach aufs Gefühl gehört und probiert.

Es hat erst geklappt, als ich wirklich wie oben beschrieben einfach mal entspannt mit den Standardsituationen angefangen habe. Auch ein aktiver Austausch mit anderen Windefrei-Mamas hat mich stark unterstützt. Ich kann jeder Mutter (Teilzeit-) Windelfrei nur ans Herz legen. Zu wissen, dass mein Kind immer trocken ist und nicht in Pipi oder Aa sitzt finde ich beruhigend und wichtig.

Hat man allerdings den „Trick“ einmal raus, gibt es kein zurück mehr. Wenn meine Tochter im Tuch sitzt und sich windet und ich merke sie muss, kann sie aber nicht abhalten tut sie mir unendlich leid. Wer will schon in Pipi und Aa sitzen?! Früher war es mir nicht bewusst und ich dachte mir nichts bei Unruhe… jetzt sinkt unterwegs, wenn ich nicht abhalten kann, das Mutterherz. 😊

Wie reagiert meine Umwelt auf Windelfrei?

Meine Familie und Freunde sind offen und fragen interessiert und stehen hinter mir. Die wissen schon, dass ich keinen Quatsch mit meiner Tochter mache.

Anders sieht es mit Leuten aus, die weniger offen für „Neues“ oder „Anderes“ sind. Reaktionen reichen von Ungläubigkeit bis hin zu Verständnislosigkeit. (Besonders von Menschen, die „nur“ aus Büchern gelernt haben und glauben Babies kommen schon mit Pampers Super Dry auf die Welt.) 😅😉

Und, ich was mache ich? Wie reagiere ich? Um ehrlich zu sein, sind mir andere egal. Meine gleichgesinnten Windelfrei-Mamis und ich, wir wissen, wir verstehen. Ich rechtfertige mich nicht und erkläre nicht – außer es wird ausdrücklich danach gefragt. Unsicherheiten habe ich keine, denn ich weiß ja wie gut es klappt. Lass dich also von niemandem verunsichern, du bist nicht allein! Findet den für euch richtigen Weg.

Hast du Fragen oder Anmerkungen? Nur her damit! Über Komentare freue ich mich immer. 😊

Die Infos in dem Post beziehen sich auf Kinder von 0-6 Monaten, da meine eigenen praktischen Erfahrungen noch nicht weiter reichen. Es bleibt also spannend! 😬

Viel Spaß!

4 Kommentare zu “Was ist Windelfrei und wie fange ich an

  1. Jenya sagt:

    Ein toller Beitrag mit viel nützlicher Info! Obwohl du es mir schon erzählt hast habe ich es nun.schwarz auf weiß und beherrsche das Windelfrei schon voel besser.

    1. Ulya sagt:

      Oh suuuuper, das freut mich so. Danke fürs liebe Feedback!

  2. Miriam Solle sagt:

    Toller Artikel, danke! Mein Kleiner ist jetzt schon 9 Monate alt, kann man da auch noch mit windelfrei anfangen oder ist das schon zu spät? Das Wickeln hat bis jetzt eigentlich gut geklappt, aber seit kurzem dreht er sich hin und her und will alles um sich herum entdecken, sodass ich ihn richtig festhalten muss, um ihm die Stoffwindel anzulegen, und das mag ich überhaupt nicht…ich will ihm nicht einfach die Windel anlegen, nur weil ich die „Stärkere“ bin…deshalb wäre ich dankbar für eine Antwort:)

    1. Ulya sagt:

      Leg los, Sommer ist die perfekte Jahreszeit.ganz entspannt an die Sache ran gehen. Und immer ein Tuch für pipi Pannen dabei haben. Viel Spaß.

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